Es ist wenig sinnvoll, einen bisher ganz normal genutzten E-Mail Account bei einem Provider mit Datenspeicherung plötzlich anonym zu nutzen. Es haben sich in den letzten Monaten genug Daten angesammelt, die eine Identifizierung des Nutzers ermöglichen.
Der erste Schritt sollte also die Einrichtung eines neuen E-Mail Accounts sein. Privacy-freundliche E-Mail Provider findet man im Kapitel über
Mozilla Thunderbird oder im
Wiki von TorProject.org.
Man kann den E-Mail Account in der Regel komplett im Webinterface des Providers nutzen. Viele Webseiten bieten jedoch
keine sichere HTTPS-Verschlüsselung nach dem Stand der Technik und blockieren Tracking Features in E-Mails nicht zuverlässig. Sicherer ist die Nutzung eines E-Mail Clients. Außerdem muss man sich nicht durch ein überladenes Webinterface kämpfen, es gibt keine Probleme mit Cookies und Javascript und die OpenPGP oder S/MIME Verschlüsselung ist wesentlich einfacher und sicherer.
Thunderbird-Profil erstellen
Ich empfehle, für anonyme E-Mails Thunderbird mit einem anonymen Profil zu nutzen. Ein separates Profil gewährleistet eine konsequente Trennung von nicht-anonymer und anonymer E-Mail Kommunikation. Anderenfalls kommt man bei mehreren Konten schnell einmal durcheinander und gefährdet durch eine hektisch gesendete Mail die Anonymität des Accounts.
Man startet den Profil-Manager in der Konsole bzw. DOS-Box mit der Option
-P:
> thunderbird -P
Es ist ein neues Profil zu erstellen und die Option
"Beim Starten nicht nachfragen" ist zu deaktivieren. In Zukunft wird Thunderbird bei jedem Start fragen, ob anonym oder nicht.
Thunderbird-Profil "anonym" konfigurieren
Am einfachsten konfiguriert man das Profil
anonym, indem man das Add-on
TorBirdy installiert. TorBirdy kann man im Add-on Manager von Tunderbird installieren.
Das Add-on
TorBirdy erledigt folgende Aufgaben:
- Es werden alle sicherheits- und privacy-relevanten Einstellungen aktiviert, die im Kapitel Thunderbird nutzen beschrieben sind. Eine sichere und anonyme Nutzung ist ohne weitere Konfigurations gewährleistet.
- Der Assistent für die Kontenerstellung wird deaktiviert, da der Assistent aufgrund eines Fehlers unter Umständen den Proxy umgeht. Beim Anlegen eines neuen E-Mail Kontos sind POP3- und SMTP-Server per Hand zu konfigurieren.
- Die Proxy-Einstellung werden angepasst. Dabei kann man in der Statusleiste unten rechts wählen, ob man Tor Onion Router oder JonDonym (Premium) nutzen möchte.
Um Tor Onion Router zu nutzen, ist das TorBrowserBundle zu starten, für JonDonym ist JonDo zuerst zu starten und eine Premium Mix-Kaskade mit 3 Mix-Servern zu wählen.
Danach kann man das Add-on
Enigmail für die OpenPGP-Verschlüsselung installieren und die Wörterbücher der bevorzugten Sprachen hinzufügen.
OpenPGP Keyserver verwenden
Bei der Verwendung von
"JonDo" als Proxy werden auch alle Verbindungen zu den OpenPGP Keyservern anonymisieriert, wenn man die Schlüsselverwaltung von Enigmail nutzt. Es wird dabei aber keine SSL-Verschlüsselung genutzt!
Da das TorBrowserBundle keinen HTTP-Proxy mehr enthält, kann man mit Tor keine Keyserver in der Schlüsselverwaltung von Enigmail nutzen. Man kann die Webseite
qtt2yl5jocgrk7nu.onion mit dem TorBrowser aufrufen (Tor Hidden Service für
keys.indymedia.org). Im Webinterface kann man nach Schlüsseln suchen oder einen eigenen Schlüssel veröffentlichen. Gefundene Schlüssel werden mit der Maus markiert, in die Zwischenablage kopiert und dann in der Schlüsselverwaltung von
Enigmail importiert.
Live-DVDs wie
TAILS sind in der Regel besser konfiguriert und können auch mit
"Tor" als Proxy die Keyserver anonym nutzen.
Hinweise zur Nutzung
Die Anonymisierungsdienste sperren Port
"25" für die Versendung von E-Mails aus Gründen des Spam-Schutzes. In der Regel bieten die Provider auch den Port
"465" für SSL-verschlüsselte Verbindungen oder den Port
"587" für TLS-verschlüsselte Versendung an.
Im Dialog
"Konten..." findet man in der Liste links auch die Einstellungen für die SMTP-Server. In der Liste der Server ist der zu modifizierende Server auszuwählen und auf den Button
"Bearbeiten" zu klicken. In dem sich öffnenden Dialog ist der Port entsprechend zu ändern.
TorBirdy erzwingt sicher SSL/TLS Verbindungen. Nicht alle E-Mail Provider unterstützen eine sichere SSL/TLS Verschlüsselung nach dem Stand der Technik. Probleme mit Yahoo!, Cotse und AOL sind bekannt. Diese Provider bieten keine
Secure Renegotiation, was
seit 2009 als schwerwiegender Bug im SSL-Protokoll bekannt ist. Wenn ständig trotz korrekter Konfiguration nur eine Fehlermeldung beim Senden von E-Mails erscheint, dann kann man mit OpenSSL prüfen, ob eine sicher SSL-Verschlüsselung überhaupt möglich ist:
> openssl s_client -connect smtp.aol.com:465
...
Server public key is 2048 bit
Secure Renegotiation IS NOT supported
Compression: NONE
Expansion: NONE
SSL-Session:
Protocol : TLSv1
Cipher : DHE-RSA-AES256-SHA
...
Sollte
Secure Renegotiation NICHT unterstützt werden, kann man sich nur einen neuen E-Mail Provider suchen (
Empfehlungen von TorProject.org). Wenn es nicht anders geht, kann man in den Einstellungen von TorBirdy die Verbindung zu unsicheren Mailservern erlauben.
Tor und Spam-Blacklisten (DNSBLs)
Viele große E-Mail Provider sperren Tor-Nodes bei der Versendung von E-Mails via SMTP aus. Sie nutzen Spam-Blacklisten, in denen Tor-Relays häufig als
"potentiell mit Bots infiziert" eingestuft sind. Wenn der E-Mail Provider eine dieser DNSBL nutzt, sieht man als Anwender von Tor nur eine Fehlermeldung beim Senden von Mails. Nur wenige Provider geben in der Fehlermeldung den Hinweis
"Seems you are spamming." Der Empfang funktioniert in der Regel.