Es gibt eine Vielzahl von
Linux Distributionen, so dass man als potentieller Anwender erst einmal vor der Qual der Wahl steht: Debian und Derivate, OpenSuSE, OpenMandriva, Fedora, Gentoo für Bastler, Minidistributionen wie Puppy oder Fortress Linux als besonders gehärtete Variante... Ich kenne längst nicht alle Distributionen daher nur einige Gedanken:
- Debian ist ein robustes Arbeitstier unter den Linux Distributionen. Die Maintainer legen vor allem Wert auf Stabilität und weniger auf neueste Features. In Kombination mit den langen Release Zyklen ergibt sich ein System, das mit brandneuer Software und Hardware (insbesondere Laptops) öfters Probleme hat, aber nach erfolgreicher Installation lange Zeit stabil läuft.
Debian hatte als erste Distribution Full-Disc-Encryption bei der Installation angeboten.
- Ubuntu ist angetreten, um das bessere Debian zu sein und mit aktueller Software auch neueste Hardware gut zu unterstützen. In letzter Zeit geht das Projekt mit dem Unity Desktop oft eigene Wege und die Übertragung sämtlicher Suchanfragen auf dem Desktop an kommerzielle Dritte wie z.B. Amazon ist ein Fiasko für die Privatsphäre.
Daneben gibt es weitere privacy-invasive Tools in Ubuntu, die ständig irgendwelche Ubuntu-Server kontaktieren. Einige kann man problemlos deinstallieren wie den Crash Reporter "apport" und das Report Submission Tool "whoopsie", das täglich den Server daisy.ubuntu.com kontaktiert.
Einige Tools sind aber enger mit dem Unity Desktop verflochten, wie das Location Tracking Tool "geoclue", das den Unity Anwendungen Informationen über die aktuelle Position zur Verfügung stellt, oder das Logging Tool "Zeitgeist", welches alle Aktivitäten protokolliert. Um diese Tools zu deinstallieren, müsste man zuerst einen anderen Desktop installieren. Dann kann man aber auch gleich Xubuntu oder Kubuntu wählen.
- Ubuntu LTS (Long Term Support): neben der halbjährlich aktualisierten Distribution gibt es Ubuntu in einer LTS Version, die man alle zwei Jahre komplett aktualisieren muss.
Ich rate davon ab, diese Version auf dem Desktop zu nutzen. Der Long Term Support gilt nur für die 9.000 Pakete des Main-Repository. Der Rest der 45.000 wird nur mangelhaft mit Sicherheitsupdates versorgt.
Hinsichtlich privacy-invasiver Tools in der Standardinstallation gilt das gleiche wie oben bei Ubuntu beschrieben wurde.
- Xubuntu oder Kubuntu gefallen mir eigentlich am besten. Die gute Hardware Unterstützung für neue Technik kombiniert mit einfacher Installation, klarem Bedienkonzept des Desktop ohne irgendwelche Cloud Anbindungen oder Übertragung von Daten an Dritte sowie Full-Disc-Encryption bei der Installation mag ich.
Den privacy-invasiven Crash Reporter von Ubuntu und das Report Submission Tool "whoopsie", das täglich den Server daisy.ubuntu.com kontaktiert, kann man nach der Installation problemlos mit der bevorzugten Paketverwaltung entfernen. Im Terminal erledigt man das mit folgendem Kommando:
> sudo apt purge whoopsie apport
Die Deinstallation überflüssiger Software ist ein Sicherheitsfeature. Ein Bug im Crash Reporter "apport" konnte beispielsweise jahrelang dazu genutzt werden, um den Rechner aus der Ferne zu kompromittieren.
- Mint Linux möchte das bessere Ubuntu sein und bietet vor allem einen anderen Desktop, der auch sehr hübsch ist. Allerdings ist Mint keine komplett selbständige Distribution sondern schmarotzt bei Ubuntu LTS, was öfters für Verstimmung bei Canonical sorgte und die Probleme mit der mangelhaften Versorgung für Sicherheitsupdates einschließt.
Mit der Mint Debian Edition gibt es auch eine Variante, die auf Debian basiert.
- elementary OS möchte das hübschere Ubuntu sein. Diese Distribution basiert auf Ubuntu LTS und möchte einen besonders schönen und konsistenten Desktop bieten, der sich sehr an MacOS orientiert. Um ein einheitliches Bild der Anwendungen zu bieten sind Cross-Plattform Programme wie Firefox, Thunderbird oder LibreOffice in der Standardinstallation nicht enthalten. Es werden nur native GTK+ Anwendungen installiert, aber Firefox und Thunderbird können aus den Repositories nachträglich installiert werden.
- Qubes OS ist eine Besonderheit unter den Linux Distributionen. Alle Anwendungen laufen in mehreren getrennten virtuellen Maschinen mit einem minimalen Xen-basierten Hypervisor, der die Gastsysteme überwacht und ihnen nur begrenzt Zugriff auf die Hardware lässt. Qubes OS bietet:
- Schutz durch starke Isolation der einzelnen Anwendungen
- getrennter Netzwerkzugriff für jede der VMs
- umfangreiche graphische Integration der virtuellen Maschinen inklusive Farben zur visuellen Abgrenzung der VMs untereinander
Nachteilig ist der wesentlich höhere Speicherbedarf als alle anderen bekannten Betriebssysteme/Distributionen.
- Subgraph OS ist ein Linux basiertes Betriebssystem, das hinsichtlich Sicherheit und für anonyme Kommunikation optimiert wurde. Es kann als Live-DVD als Alternative TAILS genutzt werden oder ist als Linux Distribution auf der Festplatte installierbar.
Derzeit steht eine Alpha-Version zum Download bereit, die noch nicht für den produktiven Einsatz geeignet ist. Features von Subgraph OS sind:
- Out-of-the-box-ready für anonyme, sichere und trackingfreie Kommunikation.
- Es wird ein besonders gehärteter Linux Kernel genutzt (Grsecurity/PaX).
- Einzelnen Anwendungen sind in Sandboxen gegeneinander abgeschirmt.
- Der gesamte Datenverkehr wird über Tor Onion Router anonymisiert. Als Standardbrowser wird der TorBrowser eingesetzt. Dabei wird im Gegensatz zu TAILS sichergestellt, dass verschiedene Anwendungen unterschiedliche Routen durch das Tor Netz nutzen, so dass der Traffic 100% separiert ist.
- Nur eine limitierte Anzahl von Anwendungen hat Zugriff auf das Internet via Tor.
- Installation von Subgraph OS ist nur mit verschlüsseltem Dateisystem möglich.
Bei allen Linux Distributionen erhält man nach einem einfachen Installationsprozess, der auch für Laien durchführbar ist, ein lauffähiges System mit wesentlich umfangreicherer Software, als mit Windows oder MacOS. Gleichzeitig ist das System umfangreich anpassbar und unter Kontrolle des Anwenders, der "root" sein kann. Die bekannten Programme wird ein Umsteiger von Windows vergeblich suchen, es gibt kein Photoshop, keinen Windows Explorer oder MS Office, dafür gibt es zahlreiche Alternativen. Ich habe noch nie etwas vermisst.