Es wird Zeit, das
Bundesamt für Verfassungsschutz aufzulösen. Seine Aufgabe als Bollwerk gegen die drohende Infiltration feindlicher Agenten aus der Sowjetunion oder der DDR besteht nicht mehr. Anti-Spionage und Anti-Terror Einsätze sowie Bekämpfung der Korruption und Verfolgung von Sachbeschädigungen sind Aufgabe von Polizei / BKA.
Auflösungserscheinungen sind beim Verfassungschutz aber nicht erkennbar. Wie in jedem Jahr
wird auch 2017 das Budget des Inlangeheimdienstes erhöht, diesmal um 45 Mio. Euro. Damit hat sich der Etat des Geheimdienstes im Vergleich zu 2000 verdreifacht!
V-Leute sind keine Lösung, sondern das Problem
Geheimdienste ... sind nach wie vor die große Unbekannte in der Entstehung und Entwicklung des Terrorismus, des bundesdeutschen ebenso wie des mit ihm verflochtenen internationalen Terrorismus. (Wolfgang Kraushaar)
- V-Leute des Verfassungsschutzes hatten erheblichen Anteil an der Radikalisierung der Studentenbewegung 1968. Vor allem der V-Mann Peter Urbach wird immer wieder als Agent Provocateur genannt, der auch Waffen und Molotow-Cocktails lieferte und nach seiner Enttarnung vom Verfassungsschutz in die USA abgeschoben wurde.
- Die Verflechtungen von Verfassungsschutz und RAF sind noch immer nicht aufgeklärt. Aus alten Unterlagen der Stasi geht hervor, dass Verena Becker offenbar vom Verfassungsschutz "kontrolliert wurde". Verena Becker spielte eine wesentliche Rolle beim Mord an Generalbundesanwalt Buback.
- Der Verfassungsschutz hat die rechtsradikale Szene in Deutschland nicht unterwandert, sondern seit Jahren finanziell unterstützt und vor Strafverfolgung geschützt.
- Laut einem BKA-Report von 1997 soll der Verfassungsschutz rechtsradikale Neonazis systematisch geschützt haben. Die Vorwürfe werden mit konkreten Fällen untermauert. V-Leute wurden vor Durchsuchungen gewarnt und einer Straftat überführte Nazis wurden nicht angeklagt und verurteilt, wenn sie als V-Leute arbeiteten. Informationen wurde zu spät an die Polizei weitergeleitet, so dass rechtsradikale Aktionen nicht mehr verhindert werden konnten.
- 2002 hat das LKA Sachsen-Anhalt dem Verfassungsschutz misstraut und aus "ermittlungstaktischen Gründen" nicht über Exekutivmaßnahmen in der rechten Szene informiert. In einem Vermerk des Bundesinnenministeriums heißt es:
Nach Rücksprache (...) stützen sich die "ermittlungstaktischen Gründe" vermutlich auf die Befürchtung, die Verfassungsschutzbehörden würden ihre Quellen über bevorstehende Exekutivmaßnahmen informieren.
- 2008 wurden Ermittlungen gegen den Neonazi Sebastian Seemann eingestellt. Er baute das verbotene "Blood and Honour" Netzwerk auf und war im schwerkriminellen Millieu aktiv (Drogen- und Waffenhandel). Der Verfassungsschutz warnte ihn vor Exekutivmaßnahmen. Mitarbeiter des Verfassungsschutzes wurden daraufhin wegen Geheimnisverrats und Strafvereitelung im Amt angeklagt. Auf Veranlassung des Innenministers Dr. Ingo Wolff wurden die Anklagen eingestellt.
Das ist seit mehreren Jahren bekannt. Konsequenzen? Nur die Landesregierung in Thüringen unter Führung von B. Ramelow (Linke) geht den Weg und
schafft die V-Leute des BfV ab, weil das V-Leute-System nicht die Sicherheit erhöht, sondern die Demokratie gefährdet.
Der Bundesinnenminister möchte die Strafheit für staatlichen Spitzel erweitern, damit sie stärker an szenetypischen Aktionen teilnehmen können (z.B Brandanschläge auf Unterkünfte für Asylbewerber u.ä.)
Strategie der Spannung
Viele Terrorgruppen in Deutschland wurden von V-Leuten des Verfassungsschutzes aufgebaut. Strafrechtliche Konsequenzen haben diese Terroristen nicht zu befürchten. Wir sollten aber die sich daraus ergebende Beeinflussung der Gesetzgebung fürchten:
- Der V-Mann Mevlüt Kar hat drei Terrorzellen aufgebaut und an die Behörden verraten:
- Die erste Terrorzelle mit Mutlu A., Mohamed El-A. und Issam El-S wurde am 17. Februar 2003 von der GSG9 verhaftet und am gleichen Tag aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen.
- Die Verhaftung der zweiten Terrorzelle mit Dzavid B., Nedzad B., Ahmed H., Bekim T. und Blerim T. wurde von den Medien weitgehend ignoriert.
- Der größte Coup von Mevlüt Kar war die Sauerländer Terrorzelle, die von ihm in Vorbereitung "gigantischer Terroranschläge" mit Sprengzündern versorgt wurde.
Melvüt Kar soll vom Verfassungsschutz nie aktiv zur Gründung von Terrorgruppen gedrängt worden sein. Er soll selbständig gehandelt haben, um seinen Wert als V-Mann und damit seine Bezahlung zu verbessern. Das BfV hat das Treiben toleriert und gedeckt und vor allem die Sauerland Terrorzelle medial für die Schaffung einer Atmosphäre der Spannung (Terrorgefahr!) genutzt.
Mevlüt Kar wurde in Deutschland nie angeklagt und lebt in Istanbul in der Türkei.
- Ein weiterer V-Mann des Verfassungsschutzes in der islamistischen Szene war Yehia Yousif, der mittlerweile in Saudi-Arabien lebt und auch eine Schlüsselrolle in der Radikalisierung der Sauerland Gruppe spielte. Außerdem hat Yousif entscheidend zum Erstarken salafistischer Gruppen in Deutschland beigetragen.
- Die Globale Islamische Medienfront (GIMF) drohte 2007 in Videos mit Terroranschlägen in Deutschland. Im Gerichtsverfahren gegen Mitglieder der GIMF kam heraus, dass der Anführer dieser Gruppe ein V-Mann des Verfassungsschutzes war. Irfan Peci soll monatlich 2.500 - 3.000 Euro vom Verfassungsschutz erhalten haben. Außerdem finanzierte das BfV die Ausbildung an Waffen in einem Terrorcamp in Bosnien und deckte Straftaten von I. Peci. Gegen den V-Mann wurde keine Anklage erhoben.
Im Gegensatz zu Melvüt Kar wurde Irfan Peci aktiv vom Verfassungsschutz geführt und hat seine Terrorgruppe unter Anleitung des BfV aufgebaut.
Ohne die zweifelhafte Rolle der V-Leute in den letzten Jahren würden wir ruhiger leben und viele Sicherheits- und Überwachungsgesetze wären nicht durchsetzbar gewesen.
Schutz gegen Wirtschaftsspionage???
Der Verfassungsschutz warnt gelegentlich vor
Wirtschaftsspionage aus Russland und China. Das ist wenig originell, dafür brauchen wir keinen Geheimdienst. Gegenüber unseren westlichen Verbündeten, insbesondere gegenüber der US-amerikanischen Wirtschaftsspionage gegen deutsche Unternehmen, stellt man sich blind.
Verfassungschutzpräsident Maaßen ließ sich im Rahmen des NSA-Skandal zu folgendem
Statement hinreißen:
Tatsächlich wurde bis zum heutigen Tage in ganz Europa kein einziger Fall amerikanischer oder britischer Wirtschaftsspionage nachgewiesen.
Ein anonymer Mitarbeiter des Verfassungsschutzes sagte dagegen bereits 1998 in der Sendung
PlusMinus des WDR:
Mir sind über 50 solcher Fälle von Wirtschaftsspionage bekannt. Wenn wir auf solche Aktivitäten stoßen, werden wir von unseren Vorgesetzten zurückgepfiffen. Wir dürfen unsere Erkenntnisse meist weder an den Staatsanwalt noch an die betroffenen Firmen weitergeben. Aus Rücksicht auf unsere Verbündeten.
Den spektakulären Fall
Enercon findet man leicht, wenn man bei der Suchmaschine der Wahl die Begriffe
" NSA Wirtschaftsspionage Deutschland" eingibt, für Hr. Maaßen ist das wohl zuviel verlangt.
Auch dem BND waren die
Ambitionen der NSA zur Wirtschaftsspionage seit Jahren bekannt, wie der Ex-General D. Urmann vor dem Untersuchungsschuss des Bundestages erklärte. Der Verfassungschutzpräsident wurde nicht darüber informiert? Schwer vorstellbar, aber auch in den jährlichen Verfassungsschutzberichten wird die Spionage der NSA nie erwähnt.
Verfassungsschutzbericht 2017: 30 Seiten über russische Hackeraktivitäten, außerdem werden chinesische Hacker und iranische Hacker wie üblich auführlich behandelt und neuerdings sind auch türkische Hacker gegen Deutschland aktiv. Aber von US-amerikanischen Hackeraktivitäten gegen deutsche Unternehmen zur Wirtschaftsspionage steht wieder nichts in dem Bericht.
NSU-Skandal
Der NSU-Skandal gilt als der größte Geheimdienstskandal der BRD. 10 Jahre zog ein rechtsradikales Trio mordend durch Deutschland. Der Verfassungsschutz erhielt viele Hinweise von V-Leuten, die nicht an die Polizei weitergegeben wurden. Nach Schätzungen waren bis zu 25 V-Leute des BfV in der Umgebung des NSU tätig. Die genaue Zahl ist nicht rekonstruierbar. Die meisten Akten über den NSU und über Tarnfirmen des BfV im rechtsradikalen Milieu wurden vernichtet, als das BKA die Ermittlungen übernahm.
Sieben Zeugen sind überraschend verstorben, bevor man ihre Aussagen aufnehmen konnte.
- Der V-Mann Florian H. verbrannte beispielsweise in seinem Auto wenige Stunden bevor das BKA ihn als Zeuge vernehmen wollte. Die Polizei diagnostizierte "Selbstmord aus Liebeskummer", obwohl seine Freundin nichts von Liebeskummer wusste und es keinen Abschiedsbrief gab. Die Familie des V-Manns erhebt schwere Vorwürfe wegen schlampiger Ermittlungen bei der Polizei.
- Der wertvolle V-Mann Thomas R. lieferte dem BfV viele Informationen über den NSU. Vor Gericht verweigerte er die Aussage. Er starb überraschend an einem Zucker-Schock (Diagnose: schwere Diabetis), bevor er in Beugehaft genommern werden konnte, um eine Aussage zu erzwingen.
Welche Konsquenzen haben sich drei Jahre nach der Aufdeckung des Skandals ergeben?
Aktive Rolle bei neuen Überwachungsgesetzen
Bei vielen Überwachungsgesetzen ist der Verfassungsschutz eine treibende Kraft. Geheimdienste sind zweifellos die Hauptnutznießer der vollständigen Protokollierung unseres Kommunikationsverhaltens.
- Die Fernmeldeverkehr-Überwachungsverordnung (FÜV) wurde 1995 auf Initiative des Verfassungschutzes beschlossen. Die Verordnung wurde 2002 durch die TKÜV ersetzt und verpflichtete alle Telekommunikationsanbieter mit mehr als 10.000 Kunden zur Installation von Überwachungstechnik, die ein automatisches Ausleiten des Datenverkehrs an Strafverfolger und Geheimdienste ermöglicht (Sina-Box).
- Die Vorratsdatenspeicherung brachte 2009 so gut wie keine Verbesserungen bei der Aufklärung von Straftaten im Internet. Trotzdem forciert der Verfassungsschutz im Hintergrund weiterhin die Einführung der VDS (neudeutsch: Mindestspeicherfrist). Nachdem die VDS schon 2002 als nicht vereinbar mit der Verfassung vom Bundestag abgelehnt wurde und auf EU-Ebene offenbar nicht durchsetzbar ist, beteiligte sich der Verfassungschutz 2012 aktiv an der Formulierung einer internationalen Richtline zur Vorratsdatenspeicherung im Rahmen der UNODC, die allerdings ebenfalls nicht verbindlich umgesetzt wurde.
Zukünftige Schwerpunkte des BfV
Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll in den kommenden Jahren zu einer kleinen Mini-NSA werden. Die Kompetenzen und Fähigkeiten zur Überwachung im Internet soll massiv ausgebaut werden. Die neu zu schaffende Abteilung
"Erweiterte Fachunterstützung Internet" (EFI, 75 neue Mitarbeiter) soll Soziale Netzwerke, Foren u.ä. automatisiert überwachen und dabei überwiegend unterhalb der Schwelle des G10-Gesetzes agieren, also ohne parlamentariche Kontrolle durch die G10-Kommision. Außerdem sollen neue Analysemethoden geschaffen werden, um anhand von Metadaten bessere Bewegungs- und Kommunikationsprofile zu erstellen.
Der Abgeordnete C. Ströbele bezeichnte die Aufgabenstellung für diese Abteilung als
illegal und unzulässig.
Überwachung politischer Aktivisten
Mehr und mehr entwickelt sich der Verfassungsschutz zu einem Geheimdienst zur Überwachung von politischen Aktivisten und unliebsamen Abgeordneten: